Der reaktionäre Ruf nach dem Verbot der ›Roten Hilfe‹

*SOLIDARITÄTSBEKUNDUNGEN STATT KRIMINALISIERUNGSÄNGSTEN*

Kristin Pietrzyk und Alexander Hoffmann

Als am 25.08.2017 bekannt wurde, dass das Bundesinnenministerium (BMI) die linke
Open-Posting-Plattform ›linksunten.indymedia.org‹ verboten hatte, fragte man
sich ›what´s next‹. Schnell kam die /Rote Hilfe /ins Gespräch.
Die /Rote Hilfe /ist ein eingetragener Verein, der den Zweck hat, politisch
Verfolgte aus dem linken Spektrum zu unterstützen. Der Verein leistet
Unterstützung bei der Vorbereitung von Strafprozessen, Öffentlichkeitsarbeit und
Finanzierungshilfen hinsichtlich von Anwalts- und Prozesskosten und beteiligt
sich außerdem am politischen Diskurs in Bezug auf Gesetzesverschärfungen, Abbau
von Beschuldigten- und Verteidigungsrechten und versucht die Meinungs- und
Versammlungsfreiheit zu stärken.*(1)*
Dennoch wurden bereits im April 2018 Forderungen aus den innenpolitischen
Kreisen der CDU/CSU laut, man solle ein Vereinsverbot gegen die /Rote Hilfe
/prüfen.*(2) *Maßgeblich wurde die Forderung von Armin Schuster,
CDU-Bundestagsabgeordneter, Obmann im Innenausschuss, Vorsitzender des
Parlamentarischen Kontrollgremiums und des Untersuchungsausschusses zur
Aufklärung des Anschlags auf dem Berliner Breitscheidplatz. Ein vermeintlich
berufener Mund, aus dem die Forderung erklang. Die Gründe, die für diese
Forderung angeführt wurden, erschöpfen sich zumeist im raschen Wachstum des
Vereins, der mangelnden Distanzierung von der RAF und der finanziellen
Unterstützung bei Anwalts- und Verfahrenskosten. Dem Bundesinnenminister
Seehofer ist insbesondere ein Dorn im Auge, dass die /Rote Hilfe///versuche, die
Sicherheits- und Justizbehörden zu»diskreditieren« und dazu aufrufe,
»grundsätzlich die Zusammenarbeit mit Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden
bei der Aufklärung von Straftaten zu verweigern«.(*3)*

*POLITISCHES MACHTSPIEL UND RECHTE MEDIEN*

Im November 2018 flammte die Debatte um ein Verbot der /Roten Hilfe /erneut auf.
Das Magazin /Focus /berichtete, dass das BMI ein Verbot der /Roten Hilfe /prüfe.


Quellen benannte das Magazin nicht. Wenig verwunderlich war ebenfalls, dass
wieder Armin Schuster auf den Plan trat und nach dem Verbot rief, diesmal jedoch
flankiert durch Äußerungen des Bundesinnenministers. Dieser schuldete seinem
innenpolitischen Sprecher in der Bundestagsfraktion jedoch auch Beistand, war
Schuster doch als Nachfolger auf Vorschlag von Seehofer von Hans-Georg Maaßen
als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz am Veto der Bundeskanzlerin
gescheitert.*(4) *Neben Solidaritätsbekundungen und Kritik verschiedener Gruppen
und Politiker bis hin zu den Jusos brach schierer Jubel über die Nachricht einer
Verbotsprüfung in der konservativen und rechten Medienlandschaft aus. Neben dem
/Focus /tat sich besonders die /Junge Freiheit /dadurch hervor, die /Rote Hilfe
/in ein antidemokratisches Licht zu rücken. Offensichtlich diente die erneute
mediale Lancierung einer Debatte um ein Verbot der /Roten Hilfe /dazu,
auszutesten, ob eine mediale und gesellschaftliche Mehrheit hinter einem solchen
stehen würde. Dieser Schuss ging deutlich nach hinten los. Einer Vielzahl von
Presseveröffentlichungen war zu entnehmen, dass die /Rote Hilfe /nicht als
Bedrohung wahrgenommen wird. Die Zahl der Neueintritte und
Solidaritätsbekundungen spricht ebenfalls eine andere Sprache.

*SCHÜSSE INS BLAUE*

In der Meldung des /Focus /behauptete das Magazin u.a., die /Rote Hilfe
/verlange von Unterstützten, dass sich diese »verpflichten, auch nach verbüßter
Strafe den ›revolutionären Straßenkampf‹ fortzusetzen«.(*5) *Diese
Falschbehauptung brachte dem /Focus /eine einstweilige Verfügung ein,*(6) *da
sie offensichtlich völlig aus der Luft gegriffen war und keinerlei
Tatsachengrundlage hatte.
Daran wird deutlich, dass solche Pressemeldungen eher einer öffentlichen
Feindbestimmung und Stimmungsmache gegen den Verein entspringen, als sachbasiert
sind. Die Meldung des /Focus /diente allein der Diskreditierung des Vereins, der
Verunsicherung der Mitglieder und Abschreckung von Unterstützer*innen.

*VERFASSUNGSFEINDLICH?*

Welche Ansichten in Sicherheitsbehörden über den Verein vertreten werden, ist
einer Antwort auf eine Kleine Anfrage im Bundestag aus dem Juli 2018(*7)***zu
entnehmen. In dieser wird der /Roten Hilfe /vorgeworfen, verfassungsfeindliche
Ziele zu verfolgen, da sich der Verein zu seiner kommunistischen Tradition
bekenne und bewusst ein Sammelbecken auch für Kommunist*innen und
Anarchist*innen biete. Nach Ansicht der Bundesregierung sei eine
sozialistisch-kommunistische Staats- und Gesellschaftsordnung mit dem
Grundgesetz nicht vereinbar, da diese die Grundrechtsbindung der staatlichen
Gewalt an Recht und Gesetz, die Freiheit und Gleichheit der Wahl, die Bindung
der öffentlichen Gewalt an Recht und Gesetz, den Ausschluss jeder Gewalt- und
Willkürherrschaft, das Recht auf Bildung und Ausübung der parlamentarischen
Opposition sowie die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit
gegenüber dem Parlament nicht oder nur eingeschränkt gewährleisten würde. Mal
abgesehen davon, dass wohl ein sehr eifriger Vertreter der Hufeisentheorie diese
Aneinanderreihung von Kampfbegriffen produziert hat, zeugt dies jedoch von einem
mangelnden Verständnis des Grundgesetzes und der gern bemühten ›freiheitlichen
demokratischen Grundordnung‹. Mit Verlaub, aber diese Darstellung linker
Theorien zu Staat und Gesellschaftsordnung im Spannungsfeld zum Grundgesetz sind
ausgemachter Humbug.
Dennoch erweckt die Bundesregierung mit diesen Aussagen den Eindruck, dass die
/Rote Hilfe /als Verein eine sozialistisch-kommunistische Gesellschaftsordnung
anstrebt und dies zum Vereinszweck erklärt hat. Dem ist aber gerade eben nicht so.
Auffällig ist, dass die oben dargestellte Antwort der Bundesregierung genau zwei
Wochen nach der letzten Äußerung des Bundesverfassungsgerichts zum Thema
Vereinsverbote in dieser Art und Weise ausfällt. Mit Beschluss vom
13.07.2018(*8) *entschied das Bundesverfassungsgericht u.a., dass das Verbot der
/›Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige‹
/(HNG) nicht zu beanstanden sei. Anhänger der Hufeisentheorie könnten sich daher
in ihren Verbotsforderungen bestätigt fühlen, sehen sie in der HNG doch das
rechte Gegenstück zur /Roten Hilfe/. Betrachtet man die HNG und den Beschluss
genauer, ergeben sich jedoch eklatante Unterschiede, die die Entscheidung nicht
auf die /Rote Hilfe /übertragbar machen. Die HNG tritt für ein nationalistisches
Weltbild rassistischer und antisemitischer Prägung ein, glorifiziert Elemente
des Nationalsozialismus und fördert die Bindung der Unterstützten an die rechte
Szene.(*9)*
Da eine reine Ablehnung der verfassungsgemäßen Ordnung für ein Vereinsverbot
nicht ausreichend ist, muss eine kämpferisch aggressive Verfolgung der
verfassungswidrigen Ziele hinzutreten. Nach Ansicht des BVerfG besteht dies bei
der HNG im Propagieren einer mit dem GG unvereinbaren Volksgemeinschafts- und
Rassenlehre, einem Bekenntnis zur NSDAP und deren Funktionsträgern und einer
öffentlichen Befürwortung von Gewalt als Mittel der politischen
Auseinandersetzung und der Notwendigkeit von Opfern und Bedrohungen gegenüber
von gegenwärtigen Amtsträgern der Bundesrepublik.(*10) *Vergleichbare Äußerungen
der /Roten Hilfe /in Bezug auf einen konkreten Umsturzversuch sowie eine Abkehr
von Grundrechten sind nicht aufzufinden. Insofern dürfte es ungleich schwerer
sein, Verbotsgründe darzustellen.

*UND DENNOCH IST EIN VERBOT NICHT AUSGESCHLOSSEN*

Es kann festgestellt werden, dass der Beitrag der /Roten Hilfe/, u.a.
Angeklagten zu ermöglichen, sich gegen strafrechtliche Vorwürfe adäquat zu
verteidigen, nicht als Beitrag zu einem rechtsstaatlichen Verfahren bewertet
wird, obwohl es das unzweifelhaft ist. Gerade in Zeiten einer entfesselten
Innenpolitik, die Freiheitsrechte immer weiter einschränkt und Tatbestände zum
Schutz von Polizeikräften einführt, ist eine fachlich kompetente Verteidigung
mehr als notwendig.
Die Schwächung von Strukturen, die versuchen, Menschen zu ermächtigen, sich
einer immer repressiveren Sicherheitspolitik am Rande der Rechtsstaatlichkeit
entgegenzustellen, ist der Versuch, Kritik im Bereich der Sicherheitspolitik zu
minimieren. Faktisch ist der Ruf nach einem Verbot der /Roten Hilfe /daher ein
Streben nach Abbau von Diskurs und Demokratie.
Wie die Diskussion um das Verbot der O/pen-Postin/g-Plattform
›linksunten.indymedia. org‹ zeigt, schreckt das Bundesinnenministerium jedoch
nicht davor zurück, auch Verbotsverfügungen zu erlassen, die sich gegen
Personengemeinschaften richten, die grundsätzlich grundgesetzlich zulässiges
Verhalten zeigen, wenn dies politisch unliebsam ist. Wenn man sich auf die
Bindung von Behörden an Recht und Gesetz nicht verlassen kann, ist daher alles
möglich. Vor diesem Hintergrund dürfte die weitere gesellschaftliche Verankerung
der /Roten Hilf/e, die weitere Ausweitung ihrer Mitgliederzahlen und Aktivitäten
das wichtigste Mittel sein, einem Verbot dauerhaft entgegenzuwirken.

*Kristin Pietrzyk *ist Rechtsanwältin in Jena und Mitglied im erweiterten
Vorstand des RAV, *Alexander Hoffmann *ist Rechtsanwalt in Kiel und
RAV-Mitglied. Die Unterüberschrift wurde von der Redaktion hinzugefügt.

(1) https://www.rote-hilfe.de/ueber-uns
(2) https://www.welt.de/politik/deutschland/article175430458/
Rote-Hilfe-Armin-Schuster-CDU-will-Vereinsverbot-pruefen-lassen.html
(3) https://www.welt.de/politik/deutschland/article175430458/
Rote-Hilfe-Armin-Schuster-CDU-will-Vereinsverbot-pruefen-lassen.html
(4)
https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/verfassungsschutz-merkel-soll-kritiker-als-maassen-nachfolger-verhindert-haben-15917477.html
(5)
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1107004.moegliches-verbotsverfahren-will-seehofer-die-rote-hilfe-verbieten.html
(6)
https://www.rote-hilfe.de/news/bundesvorstand/959-rote-hilfe-e-v-setzt-einstweilige-verfuegung-gegen-den-focus-durch-erhoehte-mitgliederzahl-durch-welle-der-solidaritaet
*(7) *BT-Drs. 19/3553
(*8) *BVerfG, Beschluss vom 13.07.2018, Az.: 1 BvR 1474/12, 1 BvR 670/13, 1 BvR
57/14
(*9) *BVerfG, a.a.O., Rn. 28
(*10) *BVerfG, a.a.O., Rn. 33, 141)

Quelle:
https://www.rav.de/publikationen/infobriefe/infobrief-117-2019/der-reaktionaere-ruf-nach-dem-verbot-der-roten-hilfe/

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