München, Dezember 2017 – Die Münchner Ortsgruppe der Roten Hilfe e. V. mobilisiert für den 31. Dezember unter dem Motto „Silvester zum Knast“ auf eine Demonstration mit anschließender Kundgebung am Gefängnis Stadelheim, um ihre Solidarität mit politischen Gefangenen auszudrücken.
Insbesondere will die linke Solidaritätsorganisation auf das Schicksal von zehn Angeklagten aufmerksam machen, die im April 2015 mit dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der TKP/ML (Kommunistische Partei der Türkei/ Marxistisch-Leninistisch) verhaftet wurden. Fünf der Angeklagten sitzen seitdem in Stadelheim in Untersuchungshaft. Ihnen allen wird vor dem Oberlandesgericht München auf Basis des Paragrafen 129b der Prozess gemacht. Bereits seit Beginn steht das Verfahren in der Kritik ein politischer Schauprozess zu sein. Grund dafür sind unter anderem illegal beschaffte Beweise und der offensichtliche Wille der deutschen Justiz, die Angeklagten um jeden Preis zu verurteilen.
Kleiner Hoffnungsschimmer im Dezember
Erst kürzlich wurde einer der Angeklagten, der 53-jährige Mehmet Yeşilçalı, unter Auflagen aus dem Gefängnis entlassen. Yeşilçalı – als junger Mann in türkischer Haft schwerer Folter ausgesetzt – leidet unter Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen. Obwohl mehrere Gutachten die Haftuntauglichkeit klar feststellten, kannte der deutsche Staat lange kein Erbarmen. Nachdem Yeşilçalı im Dezember 2016 erneut körperlicher und psychischer Gewalt – diesmal in Stadelheim – ausgesetzt war, verschlechterte sich seine gesundheitliche Verfassung dramatisch. „Die Bundesanwaltschaft offenbarte in diesem Fall aufs Neue, wie weit sie bereit sind zu gehen, um Menschen, die sich für eine solidarische und bessere Gesellschaft einsetzen, zu verfolgen.“ sagt Olivia Kölle, Sprecherin der Ortsgruppe der Roten Hilfe e. V. in München. „Anstatt ihn endlich freizulassen und ihm die Hilfe zukommen zu lassen, die er so dringend benötigt, versuchte die Bundesanwaltschaft sogar noch die Situation auszunutzen und ihn zu einem Geständnis zu erpressen.“
Weg mit Paragraph 129a/b!
Der Paragraph 129b, der „kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland“ ahndet, sieht keinerlei individuellen Tatnachweis vor. Wer – tatsächlich oder angeblich – einer Gruppe angehört, die nach der Definition der Repressionsorgane als „terroristisch“ eingestuft wurde, verliert im Zuge der Ermittlungen wesentliche Grundrechte.
Mit dem Vorwand einer 129b-Ermittlung lässt sich nahezu jede Überwachungs- und Bespitzelungsmaßnahme begründen, Verteidigerrechte und prozessuale Standards außer Kraft setzen und Haftbedingungen exerzieren. Ein Prozess nach Paragraph 129a/b ist nur mit einer „Verfolgungsermächtigung“ der Bundesregierung möglich.
Start der Demonstration ist am 31.12.2017 um 22:30 Uhr an der U-Bahnhaltestelle Silberhornstraße (U2), von dort aus wird sich der Zug durch Giesing in Richtung Stadelheim bewegen, wo auch die Abschlusskundgebung stattfindet.