„Ein politischer Schauprozess“

Ein Grußwort des Bundesvorstands der Roten Hilfe e.V. zum TKP/ML Prozess

Liebe Freund*innen,
liebe Genoss*innen,

wir sind heute hier, um unsere Solidarität mit den zehn Angeklagten im TKP/ML Prozess zu zeigen und gegen dieses Urteil lautstark zu protestieren.

Wir werden heute Zeug*innen, wie einmal mehr in diesem kapitalistischen Staat negative Rechtsgeschichte geschrieben wird, wenn es darum geht, linke Aktivist*innen zu verurteilen.

Heute geht mit den Urteilen der seit Jahrzehnten größte Kommunist*innen-Prozess nach über vier Jahren zu Ende. Zehn unserer Genoss*innen sind angeklagt, aktive Mitglieder der Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten zu sein.

Konkret vorgeworfen werden den Angeklagten keine strafbaren Handlungen, sondern ausschließlich legale politische Arbeit wie die Organisierung von Veranstaltungen, Demonstrationen, Konzerten und Seminaren. Es handelt sich um politische Arbeit, wie wir sie alle täglich erledigen, um für eine solidarische Gesellschaft jenseits kapitalistischer Ausbeutung zu kämpfen. Wir alle könnten von der Verfolgung der Repressionsbehörden betroffen sein.
Deswegen müssen wir uns ins Gedächtnis rufen:

Getroffen hat es die zehn Genoss*innen, aber gemeint ist die gesamte Linke, gemeint sind wir alle!!!

Um die Verfolgung überhaupt erst zu ermöglichen, musste das Justizministerium eine eigene Verfolgungsermächtigung ausstellen, die eine Kriminalisierung nach Paragraf 129b, der angeblichen Mitgliedschaft in einer „ausländischen terroristischen Vereinigung“, zulässt.

Unsere Genoss*innen sollen Terrorist*innen sein? Das ist absolut lächerlich, das haben auch zahlreiche bürgerliche Medien verstanden, indem sie den Prozess völlig richtig eine Gefälligkeit für das AKP-Regime nannten. Dieser Prozess ist ein politischer Schauprozess, bei dem die Verurteilungen von vornherein feststanden.

Es wurde schon oft erwähnt, aber es kann gar nicht oft genug gesagt werden: Die TKP/ML ist weder in der BRD noch sonst irgendwo außer in der Türkei verboten, und sie steht auch auf keiner der so genannten Terrorlisten.

Trotzdem wurden die Genoss*innen im April 2015 im Rahmen einer internationalen Razzia von martialischen Großaufgeboten verhaftet. Sie saßen jahrelang unter verschärften Bedingungen und teilweise in Isolationshaft in den Untersuchungsgefängnissen.

Sogar die Gespräche mit ihren Anwält*innen konnten lange Zeit nur durch Trennscheiben stattfinden. Trotz teilweise schwerer gesundheitlicher Einschränkungen durch bereits in der Türkei erlittene Haft und Folter wurde der Haftvollzug bei neun der Genoss*innen erst nach mehreren Jahren ausgesetzt. Der Hauptangeklagte Müslüm Elma befindet sich bereits seit über fünf Jahren in Untersuchungshaft.

Allein das ist ein Skandal für sich!!!

Der TKP/ML-Prozess ist aber aus mehreren Gründen beispielhaft und wird auch in unsere Geschichte eingehen.
Zum einen weil er seit Beginn vor politisch motivierten skandalösen Rechtsbrüchen strotzt – er ist ein lehrbuchhaftes Beispiel für politische Justiz.

Zum anderen jedoch, weil die gefangenen Genoss*innen sich nicht ergeben haben und ihre politische Identität mit ihrer oppositionellen Haltung, der Verweigerung von Aussagen und zahlreichen politischen Prozesserklärungen verteidigt haben. Das Kollektiv der Anwält*innen hat diese politisch motivierte Anklage durch ihre konsequente politische Verteidigung entlarvt und auch die Öffentlichkeit auf ihrem Blog regelmäßig informiert.

Darüber hinaus haben wir alle gezeigt, dass wir bei aller politischen Unterschiedlichkeit zusammenstehen, wenn Genoss*innen verfolgt und eingesperrt werden.

Das ist unser gemeinsamer Erfolg. Wir haben die Genoss*innen in den letzten Jahren vielfach wissen lassen, dass wir an sie denken, dass wir ihre Freiheit fordern, dass die politischen Kämpfe gegen die Reaktion sowohl hier als auch in der Türkei weitergehen.

Wenn unsere Genoss*innen heute verurteilt werden, wissen sie, dass wir hinter ihnen stehen, dass wir unablässig ihre Freiheit fordern, dass wir eine internationale strömungsübergreifende Solidaritätsbewegung sind!

In diesen Sinne:
– Nieder mit der Klassenjustiz
– Freiheit für unsere Genoss*innen
– Freiheit für alle politischen Gefangenen
– Solidarität ist unsere stärkste Waffe

Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.

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