Doch keine Haftstrafen für IAA-Demonstrierende?

Gericht weist Staatsanwaltschaft in die Schranken

Im Strafverfahren gegen Autobahnkletterer während der IAA 2021 wies das Amtsgericht Fürstenfeldbruck die Staatsanwaltschaft nun in die Schranken. Diese hatte die Eröffnung vor dem Schöffengericht beantragt. Hierzu musste sie von einem erwarteten Strafrahmen von zwei bis vier Jahren Haft für die Aktivist:innen ausgehen, was ihr viel öffentliche Kritik einbrachte. Auch das Gericht hielt das für überzogen. Deshalb sei „die Zuständigkeit des Schöffengerichts nicht gegeben […], zumal die Angeklagten nicht vorbestraft sind“.

Das gerichtliche Strafverfahren ist damit am Amtsgericht Fürstenfeldbruck vor dem Einzelrichter eröffnet. Angeklagt sind Mirjam Herrmann (25), Kim Schulz (25) und Susanne Egli (39). Letztere, weil sie Fotos der Aktion gemacht haben soll. Aktuell sitzen in Bayern ebenfalls 13 Engagierte der Letzten Generation für 30 Tage im Gefängnis. Mirjam Herrmann: „Die bayerische Staat reagiert auf legitimen Protest schnell mit der eisernen Faust. Während Markus Söder in seiner Hochburg der Klimazerstörung stets schöne Worte findet, aber nie handelt, wird der Protest gegen dieses Todesurteil für Millionen Menschen systematisch einzuschränken versucht. So auch während der IAA!“ Die Polizeieinsätze während der Internationalen Automobilausstellung (IAA) im September vergangenen Jahres sahen sich im Nachgang schwerer Kritik ausgesetzt. Auch Mirjam Herrmann und Kim Schulz verbrachten durch die Einsatzprotokolle des Innenministeriums[2] auf Antrag der Polizei 4 Tage in Gefängnissen in Bayern – präventiv, ohne ordentliches Verfahren und rechtswidrig, wie ein Gericht später urteilte. Auch Susanne Egli befand sich mehrere Stunden in Gewahrsam. Nach der Aktion wurde sie bis zum Ende der IAA ohne Vorlage von Gründen immer wieder stundenlang von der Polizei festgehalten, da von ihr angeblich eine Gefahr ausginge. Die Ausübung ihres Berufs war während der IAA damit unmöglich.  „Die Geschichte einer rechtswidrigen Überreaktion des bayerischen Staates wiederholt sich auch in diesem Strafverfahren“, konstatiert Kim Schulz. „Ich bin froh, dass das Gericht dem heute Einhalt gebietet.“ Susanne Egli zeigt sich verwirrt über ihre Anklage: „Die Staatsanwaltschaft forderte zwei bis vier Jahre Haft gegen mich, weil ich Fotos gemacht haben soll. Das passt ins Bild, wenn man bedenkt, dass die ungestörte Werbung der Autokonzerne während der IAA auch die Festnahme akkreditierter Journalist:innen zu rechtfertigen scheint.“ Sie bezieht sich auf einen umstrittenen Fall während der IAA 2021, bei dem ein TAZ-Journalist mit IAA-Akkreditierung festgenommen worden war. [3]

 

[2] Nur durch die veränderten Einsatzprotokolle des Innenministeriums für den Zeitraum der IAA wurden wir überhaupt erst nach Erding verbracht, wo der Antrag auf verlängertes Gewahrsam gestellt wurde. Die zuständigen Polizist:innen in Germering, wo wir festgenommen wurden, stellten uns gegenüber klar, dass sie den Gewahrsams-Antrag für absurd hielten und außerhalb der IAA ein solcher für so ein kleines Delikt niemals gestellt werden würde. Die Verschärfung des Polizeiaufgabengesetztes Bayerns (PAG) 2018 wurde damals auch mit Terrorismusabwehr begründet.
[3] Artikel über die Festnahme des TAZ-Journalisten: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/proteste-bei-iaa-taz-journalist-von-polizei-festgehalten-17532047.html
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