Bericht zum „internationalen Tag der politischen Gefangen“ in München

Am gestrigen „internationalen Tag der politischen Gefangenen“ forderten wir lautstark die Freilassung unseres Genossen und Freuendes Mustafa Tuzak. Etwa 50 Menschen folgten hierzu unserem Aufruf vor die Tore der JVA Stadelheims zu kommen.

Redebeiträge verschiedener Organisation machten auf das Schicksal der politischen Gefangen hier in Deutschland und weltweit aufmerksam. Mit lauten Parolen zeigten wir Mustafa, dass wir ihn hinter den Mauer nicht vergessen. Hierzu wurden auch einige Helium-Ballone mit politischen Politischen Botschaften über die Gefängnismauer steigen gelassen.

Unweit der Kundgebung nutzten offenbar auch noch andere Aktivist*innen den „Tag der politischen Gefangen“, um mit einem Feuerwerk revolutionäre Grüße über die Knastmauern zu schicken.

Zum Schluss möchten wir noch unseren Redebeitrag der Kundgebung dokumentieren:

Liebe Freund*innen,r

Wir von der OG München der Roten Hilfe e.V. grüßen alle, die sich heute hier vor den Mauern Stadelheims versammelt haben. Um in langer Tradition am 18. März den politischen Gefangenen ihre Solidarität zu zeigen, wollen wir gemeinsame die Stimmen erheben.

Denn wir sind nicht alle, es fehlen die Gefangenen!

Unser Freund und Genosse Mustafa Tuzak ist ein politischer Gefangener. Hier in Stadelheim. Er sitzt hier seit Dezember 2020 wegen der angeblichen Mitgliedschaft in der Arbeiterpartei Kurdistan PKK hinter Gittern. Allein die Tatsache, dass Mustafa Kundgebungen und Kulturveranstaltungen organisierte, reichte der Staatsanwaltschaft aus, um ihn in Untersuchungshaft zu sperren. Die Münchner Staatsanwaltschaft macht sich damit wieder einmal zum Handlanger des AKP-Regimes.

Die Türkei führt seit den früheren 1980er Jahren aktiv Krieg gegen die kurdische Befreiungsbewegung. Alle Oppositionellen werden zunehmend vom AKP-Regime verfolgt. Zehntausende, welche dagegen aufbegehren, verschwinden in der Türkei aus ihren Ämtern oder sogar hinter Gittern. Das alles geschieht mit deutscher Zustimmung. Die völkerrechtswidrigen Angriffskriege in Rojava und im Nordirak wurden allesamt von den westlichen Regierungen abgesegnet. Auch die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei selbst bleiben für den türkischen Staat ohne Konsequenzen. Stattdessen beteiligt sich die BRD tatkräftig an der Verfolgung der türkischen und kurdischen Opposition im deutschen Exil. Dutzende kurdische Aktivist*innen sitzen in deutschen Gefängnissen, ohne dass ihnen eine konkrete Straftat vorgeworfen wird. Der „Antiterrorparagraph“ 129a/b macht es möglich, Menschen für unliebsame, aber legale politische Aktionen in Gefangenschaft zu nehmen.

Wir fordern die Staatsanwaltschaft dazu auf, endlich alle Verfahren einzustellen! Schluss mit Gesinnungsschnüffelei! Schluss mit der Kriminalisierung von Kundgebungen und Kulturveranstaltungen.

Wir fordern nicht zufällig am 18. März die Freiheit für alle politischen Gefangenen. Denn am 18. März des Jahres 1871 griffen die Pariser Arbeiter*innen zu den Waffen, um die parlamentarisch-monarchistischen Machtstrukturen zu zerschlagen. Für einen kurzen Zeitraum gelang es ihnen, eine selbstverwaltete Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung zu schaffen. Diese wurde als Pariser Kommune bekannt. Nach nur 71 Tagen wurde der Versuch, sich von den Fesseln der Herrschaft zu befreien, brutal niedergeschlagen. Mehr als 20.000 Menschen wurden getötet und über 13.000 zu meist lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt. In Erinnerung daran erklärte 1923 die ein Jahr zuvor gegründete Internationale Rote Hilfe (RHI) den Tag zum „Internationalen Tag der Hilfe für die politischen Gefangenen“. Heute, 150 Jahre nach dem Aufstand der Pariser Kommune, ist der Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung nicht gewonnen. Doch weltweit kämpfen Aktivist*innen noch immer für eine solidarische Gesellschaft und für diesen Kampf werden auch heute Menschen eingesperrt.

Damals wie heute: Wir sind nicht alle. Es fehlen die Gefangenen!

Nicht nur die kurdische und türkische Linke sind mit Gefängnisstrafen bedroht. In ganz Deutschland wird versucht, aktive Antifaschist*innen zu kriminalisieren. Der staatliche Kriminalisierungs- und Verfolgungswille zeigt sich in zahllosen Strafverfahren, an deren Ende immer öfter Haftstrafen stehen. So wurden im vergangenen Jahr Jo und Dy in Stuttgart und Lina in Leipzig inhaftiert.

Diese drei, sowie weitere Fälle von staatlicher Repression zeigen, dass eine kämpferische und selbstbestimmte fortschrittliche Bewegung dem deutschen Staat ein Dorn im Auge ist.

Seit dem G20-Gipfel macht der Staat eine relativ offene Jagd auf Linke, Revolutionär*innen und Antifaschist*innen. Er versucht um jeden Preis Strukturen und Zusammenhänge, die sich seiner Kontrolle und seinen „Spielregeln“ entziehen, zu bekämpfen und in „gute“ und „böse“ Aktivist*innen zu spalten. Dafür konstruieren die Behörden auch angebliche „Vereinigungen“ zusammen – Hauptsache man kann eine große publicity-show aus dem angeblichen Problem „Linksextremismus“ machen und hinterlässt möglichst große Schäden in der Bewegung. Der Hauptgrund für die schon inflationäre Anwendung der §§129 sowie 129 a und b dürfte allerdings die Ausforschung unserer Strukturen sein – denn dieser Paragraf gibt den Cops die Befugnisse quasi geheimdienstlich zu ermitteln.

Strafe und Knast sind Ausdruck von Macht und staatlicher Gewalt zur Durchsetzung der herrschenden Rechtsordnung. Knäste sollen Angst erzeugen und einschüchtern.

Menschen, die anecken, sich nicht an die Regeln halten und das bestehende System in Frage stellen, können mit Freiheitsentzug bestraft werden.

Dabei ist gerade in diesen Zeiten von rechten Mordanschlägen und staatlicher Verstrickungen in rechte Netzwerke selbstbestimmter Antifaschismus nicht nur legitim, sondern lebensnotwendig!

Die Vielfalt und die Notwendigkeit antifaschistischer und revolutionärer Arbeit wird vom staatlichen Kriminalisierungswillen ausgeblendet.

Es braucht eine linke, antifaschistische Bewegung, die im Stande ist auf allen gesellschaftlichen Ebenen und Orten zu kämpfen und zu wirken. Nicht zum Selbstzweck, sondern um den Weg abzusichern für die bitter notwendige, revolutionäre Umwälzung dieses Systems hin zu einer solidarischen Gesellschaft in der Ausgrenzung und Ausbeutung der Vergangenheit angehören.

Knäste zu Baulücken!

Auch wenn die direkte Repression scheinbar nur Einzelne betrifft, ist sie ein Angriff auf die gesamte Bewegung, der wir uns kollektiv entgegenstellen müssen. Nur durch Solidarität auf allen Ebenen können wir die Angriffe auf uns ins Leere laufen lassen und die Mauern, die die Herrschenden zwischen uns sehen möchten überwinden.

Dabei dürfen wir uns nicht durch staatliche Repression einschüchtern lassen und uns nicht von unserem Kampf für eine gerechte und emanzipatorische Gesellschaft abbringen lassen.

Deshalb müssen wir auch heute weiterhin fordern:

Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Freiheit für Mustafa Tuzak!

Für einen konsequenten Antifaschismus!

Weg mit den Paragraphen 129a/b!


Unsere Solidarität gegen Ihre Repression!

Wir sind nicht Alle! Es fehlen die Gefangen!

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